Lankenau – Das verschwundene Dorf

Die Kinder aus Lankenau hatten es nicht weit zum Strand, und vor allem im Sommer gehörte das Baden in der Weser für sie zum täglichen Leben. Nachdem die gesundheitsfördernde Wirkung des Badens erkannt war, blieb dieses Vergnügen zunächst noch den Reichen vorbehalten, die dafür in die neu gegründeten Seebäder fuhren.


Mit der Zeit jedoch entwickelte es sich auch zum Freizeitvergnügen für die kleinen Leute. Noch bis Ende der 1920er Jahre allerdings mussten alle, die „wild“ in der Weser badeten – d. h. außerhalb der offiziellen Badeanstalten – mit empfindlichen Strafen rechnen, falls sie vom Landjäger dabei erwischt wurden. Erst 1930 entschied der Bremer Senat, dass das Baden in der Weser nicht kontrolliert werden könne.


Familienbad Lankenau, 1920er Jahre
Das „Familien Licht-Luft-Bad Lankenau“ wurde 1914 vom gleichnamigen Verein gegründet. Hier verbrachten die Mitglieder ihre freie Zeit und feierten gemeinsame Feste wie die alljährliche „Italienische Nacht“. Vor allem im Sommer wurden die kleinen Ferienhäuser den Familien dann oft zum zweiten Zuhause. In der Nachkriegszeit dienten sie kurze Zeit als Quartier für Wohnungslose. Mit dem Bau des Neustädter Hafens musste der Verein nach Arsten umziehen.


Sozialdemokraten im Dorf
Mit der Industrialisierung veränderte sich die Sozialstruktur des Dorfes. Mit Ausbau der Hafenanlagen auf der rechten Weserseite Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Dorf mit günstigen Mieten ein begehrtes Wohngebiet für die Arbeiter. Aufgrund des Bremer Wahlrechts bestimmten aber weiter allein die großen Bauern die Geschicke der Dorfgemeinde und besetzen die politischen Ämter aus den alten Reihen. Erst mit dem Ende das Kaiserreichs 1919 ging das Amt des neuen Gemeindevorstehers an einen Sozialdemokraten.


Kartoffelernte auf dem Schlagen, 1926
Das Dorf Lankenau wurde bereits im 12. Jahrhundert besiedelt. Das Land der Bauern war in lange, vom Deich bis zum Ende der Feldmark durchgehende Flurstücke gegliedert, der Hof lag etwas höher auf dem Deich. Die Lankenauer Bauern betrieben Weidewirtschaft und Viehzucht, produzierten Milch sowie Käse. Und sie galten als reich: Im 18. Jahrhundert zählte man hier elf Vollbauern. In den Nachbardörfern Rablinghausen und Woltmershausen dagegen hat es nie mehr als sechs gegeben.


Fährhaus Lankenau, um 1955
Das „Fährhaus Wähmann“, begehrtes Ausflugsziel der Bremer, wurde seit seiner Gründung Mitte des 18. Jahrhunderts (damals hieß es noch „Fährkrog“) von der gleichen Familie geführt. Die letzte Betreiberin, „Mudder Wähmann“ genannt, galt als „älteste Wirtin Deutschlands“ und war ebenso eine Institution wie das Fährhaus selbst. Meta hatte das Gasthaus 1896 von ihrem Vater übernommen und nach dem frühen Tod ihres Mannes über Jahrzehnte allein geführt. Mit seinem Anleger direkt vor der Tür, den auch die „Grosse Hafenrundfahrt“ bediente, war das traditionsreiche Haus für alle Bremer gut zu erreichen.


Campingplatz am Deich, um 1959
1953 eröffnete der Campingplatz in Lankenau und zog Gäste aus ganz Europa, ja sogar aus Übersee an. Bei einfachstem Standard – es gab nicht einmal eine Dusche – hatte er mit seiner Lage direkt an der Weser und gegenüber der Werft jede Menge maritimer Atmosphäre zu bieten. Im September 1962 musste der Platz für den Bau des Neustädter Hafens schließen. Der versprochene Ersatzplatz in Rablinghausen wurde nie gebaut.


Neustädter Hafen, 1962
Erste Pläne, auf der linken Weserseite Hafenanlagen zu errichten, hatte es bereits in den 1920er Jahren gegeben. Anfang der 1960er Jahre schließlich, als es galt, Bremen im Wettbewerb mit anderen europäischen Häfen konkurrenzfähig zu halten, wurden sie in die Tat umgesetzt. Das gesamte Dorf Lankenau musste dafür von der Landkarte verschwinden, voran gingen intensive Grunderwerbsverhandlungen zwischen der Stadt Bremen und den Lankenauern. In verschiedenen Bauabschnitten entstanden dann Becken und Kajen, bis 1966 schließlich der Umschlag begann. Nachdem die Container bald hauptsächlich nach Bremerhaven gingen, wird im Neustädter Hafen mittlerweile vor allem wieder Stückgut umgeschlagen.

Text und Recherche: Veronika Zill
Fotos: Kulturhaus Pusdorf

 

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