Die Schiffe, der Hafen und die Stadt

„Erst der Hafen, dann die Stadt“, das war die Maxime von Bürgermeister Kaisen, als Bremen nach dem Weltkrieg in Trümmern lag und Wracks den Hafen wie den Fluss versperrten. Eine wieder lebendige Stadt war nur denkbar mit einem wieder arbeitenden wirtschaftlichen Herzen, dem Hafen. Aber der Zusammenhang von Hafen und Stadt ist auch der rote Faden bremischer Geschichte – von Anfang an.


Der Anfang am „Ufermarkt“
Die  Geschichte mit dem Hafen beginnt in Urzeiten, im Jahr 780 nach Christi Geburt. Die nordwestdeutsche Tiefebene war ein von den germanischen „Heiden“, den Sachsen, nur dünn besiedeltes Gebiet. Weite Landstriche waren wüstes Land, sumpfig, dicht bewaldet und darin die Weser mit ihren zahlreichen Nebenarmen. Regelmäßig unternahmen die Sachsen Raubzüge ins Reich des fränkischen Königs, der später als Karl der Grosse in die Geschichte eingehen sollte. Am Ende seines erbitterten Krieges stand die Unterwerfung der „wilden“ Stämme mit ihren Häuptlingen. Bremen wurde als Vorposten der neuen Herrschaft auserwählt. Dazu gehörte auch die kulturelle und religiöse Eingliederung der Sachsen, dem von Karl eingesetzten Bischof oblag die Aufgabe, das Christentum in dem neuen Landstrich zu verbreiten.

Dass der König aber gerade jenen Flecken für die Mission auswählte, an dem Bremen entstehen sollte – schon das hing mit einer Art von Hafen zusammen. Hier gab es nämlich eine wichtige Furt zur Überquerung der Weser, daher eignete sich der Platz am Nebenarm der Balge für einen der mittelalteralterlichen „Ufermärkte“.

Der Ufermarkt an der Balge, die Schiffe wurden einfach an Land gezogen, im Hintergrund die befestigten Mission mit dem Holzkirchlein (oben rechts), eine bescheidene Siedlung an der Balge, dem Nebenarm der Weser (Ausschnitt aus einem Modell des Überseemuseums)

Ohne diesen Ufermarkt hätte sich das spätere Bremen vielleicht nur zu einem Ort am Rand der Geschichte entwickelt – zu einer Kleinstadt wie Brake oder Elsfleth.


Vom Ufermarkt zur Schlachte
So gingen mehrere Jahrhunderte ins Land, rund um den Sitz des Bischofs auf der Domburg und die Balge entwickelte sich eine Stadt, der Ort zog zahlreiche neue Bewohner an, Händler, Handwerker, Fuhrleute, Tagelöhner und auch bäuerliche Siedler. In andauernden Konflikten mit dem schon bald zur Erzbischof aufgestiegenen ehemaligen Missionar erkämpften sich die wohlhabenden Bürger Rechte, die auch vom Kaiser bestätigt wurden. Allmählich etablierten sie eine neue mit dem Bischof konkurrierende Macht. Ab 1230 ist die Stadtgemeinde mit ihrem Rat als zweites politisches Organ neben dem Bischof aktenkundig.

Die Hafenentwicklung ging aber nicht vom Rat der Stadtgemeinde oder vom Bischof aus. Es waren sieben Bremer Kaufleute von der Langenstraße, die den Anstoß zur Entstehung eines neuen Hafens an der Schlachte gaben. Ihre Straße, angrenzend an den ursprünglichen Ufermarkt, hatte sich zu einer Siedlung von inzwischen sesshaften Händler entwickelt, lange Zeit waren sie noch fahrende Hänler gewesen, die ihre Waren selbst begleiteten. Diese Kaufleute kauften dem Erzbischof brach liegendes Land bis zur Weser ab, jetzt wollten sie ihre Waren auf direktem Weg vom Strom in ihre Lager verfrachten. Aus in den sandigen Grund eingeschlagenen Pfählen, Planken und Flechtwerk entstand eine erste Holzkaje zum Anlegen der Schiffe.

Modell der in Bremen gefunden Kogge von 1380, Foto von H.J. Lücking

Der alte Ufermarkt an der Balge war für die großen Koggen nur noch beschränkt tauglich. 27 Meter lang war dieser Schiffstyp und konnte fast 90 Tonnen Fracht an Bord nehmen. Auf dem Landweg hätte es dafür 44 Wagen mit vier vorgespannten Pferden gebraucht. Dieser „Lastesel“ der nordeuropäischen Schifffahrt war bis zum Ende des 14. Jahrhunderts das Maß aller Dinge. So wie die riesigen Containerschiffe neue Kajen in Bremerhaven erforderten, so verlangte auch das Anlegen der Koggen einen neuen Platz für den Umschlag. Mit der Schlachte begann eine neue Ära des Bremer Fernhandels, eingebettet in das Netz der aufblühenden Hanse.

Bis 1265 war Bremen keine Hansestadt, bis dahin gab nur einen Zusammenschluss von Bremer Fernhändlern mit den nordeuropäischen Händlern von Riga bis nach Flandern. Das war die Kaufmannshanse der Bürger in ihren Städten. Die eroberten sich zunehmende Macht in ihren Städten. So führten ihre Interessen zur „Städtehanse“, einer Art Europäische Union des Mittelalters. Damit eröffneten sich neue Horizonte und Handelsverbindungen. Die Mitgliedschaft in diesem Bund ließ Bremen aufblühen und machte sie reich.


Hochbetrieb an der Schlachte
In den Anfängen war die Schlachte ein schlichter Umschlagplatz am Ufer. Es sollte bis zum Jahr 1600 dauern, bis sich die Baumeister auch in Bremen an die Konstruktion eines Uferbollwerks aus Stein wagten. Das ragte auch weiter in den Fluss hinein und ermöglichte so auch Schiffen mit größerem Tiefgang das Anlegen. Als um die gleiche Zeit die Balge für Schiffe gesperrt wurde, war die Zäsur im bremischen Hafenbetrieb vollzogen. Von ursprünglich 100 Metern im Anschluss an die Martinikirche vervierfachte sich die Länge des Kais auf 450 Meter, ein Tretkran und fünf „Wippen“ dienten dem Umschlag der Waren von Bord an Land und umgekehrt. Hafen und Markt waren von da an getrennt.

Bremen 1588, Ausschnitt aus der Karte von Braun und Hogenberg

Um die 200 Arbeiter waren an der Schlachte unterwegs. Hier wirkten „Wippenmeister“ oder „Kornmesser“, längst ausgestorbene Berufsgruppen mit uns exotisch klingenden Bezeichnungen. Fuhrknechte kurvten zwischen den aufgestapelten Fässern und Säcken hin und her. Viel Raum zum Stapeln blieb nicht an der Schlachte, denn viele Kaufleute nutzten den Platz oft wochenlang als Zwischenlager für ihr Gut. Sehr zum Ärger des Rats, der monierte, dass die Schlachte für den Umschlag, also den „rechten Endzweck und das Aufbringen der Ware untüchtig gemachet“ werde.

Die Schlachte um 1600, in der Bildmitte die Fährstation
Tretkran für schwere Lasten
Pferdefuhrwerke besorgten den Transport in entfernte Speicher und Orte
Für die Fuhrleute der Platz, die Tiere zu tränken
Holz, eines der wichtigen Handelsgüter der Zeit
Die Bilder sind Aufnahmen von einem Modell der Schlachte aus dem Übersee-Museum

Nicht nur auf der Schlachte und in den Gassen herrschte Gedränge, auch auf dem Wasser suchte jeder Schiffer eine möglichst schnelle Abfertigung und drängte zu den Wippen zum Entladen. (vgl. Bild 3 in der slideshow) Die Klagen über chaotische Zustände gehörten zum festen Repertoire von Schiffern und Hafenpersonal. Jeder wollte zuerst an die Wippe. Fluchen und Streit bis zur handfesten Prügelei gehörten zum Alltag. Die Kranführer beschwerten sich, kein Schiff wolle dem anderen weichen. In einer Eingabe an den Senat berichteten die Kaufleute, es sei schon vorgekommen, dass sich 28 Schiffe vor einer einzigen Wippe gegenseitig behinderten hätten. Dann konnten selbst die schon abgefertigten Schiffe die Kaje nicht mehr frei machen. Es ginge zu wie beim Turmbau zu Babel, klagten die Händler.

Doch wie gedrängt auch immer es an der Schlachte zuging, Bremen war ein Provinzhafen. Um 1600 hatten sich in Portugal, England, Spanien oder Holland Seefahrermächte entwickelt, welche rund um die Welt ihre transatlantischen Stützpunkte und Kolonien aufbauten. Das Geschäft an der Bremer Schlachte rührte vom Bremer Handel mit den europäischen Knotenpunkten wie Antwerpen, von denen aus der neue Übersee- und Kolonialwarenhandel ein neues Handelsnetz entwickelte.


Das Ende einer Epoche

Fähranleger und Hafenbetrieb am alten Hafen

Um 1845, als der Bremer Stadtbibliothekar und Chronist Friedrich Wilhelm Kohl diese Zeichnung anfertigte, war das Ende des Hafens an der Schlachte längst absehbar. Nur noch Schiffe mit maximal zwei Metern Tiefgang kamen wegen der immer stärkeren Versandung der Weser bis zur Schlachte. Daher hatte Bremen dem hannoverschen Königreich schon 1827 vorsorglich ein Stückchen Land an der Geeste abgekauft und bei dem Örtchen Geestemünde einen Vorhafen gebaut. Das war die Geburtsstunde Bremerhavens, jetzt legten die großen Schiffe 70 Kilometer weserabwärts an, mit Leichtern gelangte die Fracht dann nach Bremen.

Der Bremer Hafen bei Geestemünde, 1849. In Planung war bereits ein zweites Hafenbecken, der „Neue Hafen“ [aus wiki, Geschichte Bremerhavens]
Eine neue Epoche – die Ära von Stahl und Dampf – war angebrochen, als Kohl in seinen Episoden zur „Culturgeschichte“ Bremens die inzwischen historische Schlachte im Bild festhielt. Seine Lithographie dokumentiert ein Idyll, all das Gedränge und Durcheinander des früheren Hafenbetriebs – an Land und auf dem Wasser – ist hier ausgespart. Auf der Höhe der Zeit war inzwischen nur der Hafen am Unterlauf der Weser.


Der schwere Aufbruch ins Industriezeitalter
Das Zeitalter des Segelschiffs neigte sich dem Ende zu. Schon 1816 hatte der Bremer Kaufmann Schröder nach New Yorker Vorbild ein erstes Dampfschiff für den Verkehr zwischen Brake und Bremen bauen lassen. Doch die Dampfmaschine musste die Vegesacker Werft aus England, dem Mutterland der Industrialisierung, importieren. Sie kam von Boulton & Watt, dem Londoner Betrieb des legendären Erfinders dieses Motors einer neuen Zeit.

Das Bremer Dampfschiff „Bremen“ bei Vegesack, um 1850, Detail aus dem Gemälde von C. Fedeler, Digitalisat des Originals im Ortsamt Vegesack

Der Stand der Bremer Industrialisierung war noch bescheiden. Auf der Stephanikirchweide startete 1842 die Gießerei von Waltjen & Leonhardt mit dem Bau eiserner Schwimmtore für Schleusen und Eisenbahnbrücken. Später sollten aus der Gießerei die Atlas-Werke und die AG Weser hervorgehen. Noch schreckten reiche Bremer Kaufleuten vor Investitionen in Unternehmen der Industrie zurück und bewegten sich auf den traditionellen Pfaden ihres Fernhandels. Doch die Eisenbahn war auch für sie von größter Bedeutung.

Seit 1847, zwölf Jahre nach Eröffnung der sechs Kilometer „langen“ ersten deutschen Bahnverbindung zwischen Nürnberg und Fürth, konnten Waren aus Hannover per Bahn nach Bremen gelangen. Mit dem weiteren Ausbau des Netzes öffnete sich dem Bremer Hafen das Tor zu neuen Warenströmen weit ins Hinterland. Schon ein Jahrzehnt später nahm der „Weserbahnhof“ seinen Betrieb auf, der direkte Umschlag von der Bahn auf das Schiff bot neue Perspektiven.  

Eisenbahn und Weserbahnhof (links) markieren eine neue Zeit

In Verbindung mit der Dampfmaschine entstand eine gänzlich neue Generation von Schiffen. Der Dampfer, unabhängig von den Unwägbarkeiten des Wetters, sollte künftig die Seefahrt dominieren.

Aber die Bremer Zukunft als „Seehafen“ – als Zielort für die neuen großen Schiffe im Verkehr mit Amerika – stand in den Sternen. Die Weser versandete und versandete. Die Fracht für die Bremer Packhäuser in der Altstadt und auf dem Teerhof musste in Bremerhaven, Elsfleth oder Brake umständlich in Leichter mit geringem Tiefgang umgeladen werden. Noch 1870 konnte man am Weserufer Pferde sehen, welche diese Schiffe mit ihrem wertvollen Gut die Weser hinauf bis in die Hansestadt zogen. Nur jedes dritte Schiff und lediglich fünf Prozent des Handelsguts gelangte auf direktem Weg nach Bremen.

Die versandete Weser voller Untiefen, Ausschnitt aus einer Karte von C.A. Heineken, 1805, wiki

Bremerhaven – Der „Hausknecht“ Bremens?
Eine Verlagerung des Hafengeschäfts, all der Kontore und Institutionen rund um den Hafen nach dem 70 Kilometer entfernten Bremerhaven war keine Option. Nur 88 Hektar umfasste der Bremer Grundbesitz an der Geeste – das reichte gerade für ein Hafenbecken mit ein wenig Umland. Trotzdem baute Bremen vor, wichtige Firmen sollten nicht nach Bremerhaven abwandern.

Als ein Reisejornalist 1863 Bremerhaven besuchte, bemerkte er ein „eigentümliches Verhältnis“ zwischen Mutter- und Tochterstadt. „Ich hörte dort manches bittere Wort darüber. Bremen betrachtet Bremerhaven als einen Hausknecht, der arbeiten muß und nebenher allenfalls kleinen Privatgeschäfte betreiben darf, wie es sich für den Hausknecht paßt.“ Einen Großhandel in Bremerhaven hatte der Senat verhindert, ein Bremer Kaufmann durfte dort nur Geschäfte bis zu einem Wert von 250 Taler betreiben. Wie attraktiv aber der Ort am tiefen Wasser war, das zeigte die Umgehung dieses Verbots durch etliche Bremer Kaufleute, die wichen in die nur einen Steinwurf entfernte Kleinstadt Geestemünde aus. Das gehörte ursprünglich zum Königreich Hannover, wurde erst 1866 preußisch. Die Bremerhavener Provinzialzeitung spekulierte bereits, der Bremer Bürgermeister Smidt habe erkannt, dass „das alte Bremen als Seestadt abgewirtschaftet“ habe. Nicht nur die Schiffe des äusserst lukrativen „Migrantenhandels“ nutzten den Bremerhavener Vorposten, um von hier aus in See zu stechen.

Erste Ankunft der „Washington“ in Bremerhaven, 1847. Damit nahm der erste transatlantische Post- und Passagierverkehr seinen regelmäßigen Dienst auf.

So plante Bremen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts einen neuen Hafen für die Stadt. Ende der 1860er Jahre kursierte bei den Waller Bauern mit Landbesitz auf der Stephaniweide ein erster Plan für das „Project“ eines neues Hafenbecken. Noch war nicht absehbar, welche Dimensionen die Schiffe eines Tages annehmen sollten und dass der Wettlauf mit dem zunehmenden Tiefgang von der alten Hansestadt nicht zu gewinnen war.

Erste Hafenpläne auf der Stephanikirchweide, um 1860. Am Weserufer bereits die ersten Industriebetriebe

Ein Hafenbecken allein konnte aber die Misere nicht beheben. Wenn Schiffe mit bis zu fünf Metern Tiefgang, das war inzwischen das Maß für den „europäischen Verkehr“, bis nach Bremen gelangen sollten, musste der ganze Strom umgebaut werden. Das sollte ein neuer Baudirektor in Angriff nehmen.


Die Weserkorrektion – ein „Stromschlauch“ in den Bremer Hafen
Als Baudirektor Franzius 1876 nach Bremen geholt wurde, sollte er dem Bremer Hafen das Überleben sichern. Seine „Weserkorrektion“ war der Beginn des Kampfs um eine immer weiter fortschreitende Vertiefung der Weser. Sein Plan: Er wollte all die Krümmungen, Schleifen, Engpässe und Untiefen der Weser bis zur offenen Nordsee beseitigen. Die Weser sollte mit stärkerer Strömung fließen und sich so selbst ein tiefes Bett schaffen. Der „verwilderte“ Fluss, so die Ausdrucksweise der Zeitgenossen, sollte nach Bremer Wünschen umgeformt werden. Franzius‘ Idee war bestechend einfach, doch die Realisierung erforderte einen riesigen Aufwand: 52 Millionen Kubikmeter Erdreich sollten bewegt werden, 30 Millionen Reichsmark waren dafür veranschlagt.

Schaufelbagger „Insum“, hier 1918 auf der Außenweser, Wasser und Schiffahrtsamt Bremen

Die Bremer Handelskammer regte an, von den in Bremen ankommenden Schiffen eine Abgabe zu erheben. Das aber passte absolut nicht mehr in die Zeit. In dem seit der Reichsgründung von 1871 endlich vollendeten einheitlichen Wirtschaftsgebiet von Kiel bis Konstanz wieder einen Wegezoll zu erheben, das wirkte wie ein Schritt in die endlich überwundene Kleinstaaterei. Mit einem cleveren Manöver bekam Bremen zwar vom Reich keinen Wegzoll, aber eine„Schiffahrtsabgabe auf der Unterweser“ zur Refinanzierung der Baukosten genehmigt. Eine Lehrstück in Politik!  Voraussetzung dafür war, die Weser zu einem Kanal umzudefinieren. In dieser Logik schwärmte ein Senator auch vom großen künftigen „Stromschlauch.“ So berichtete es die Bremer Presse, als mit einer feierlichen Zeremonie der letzte Spatenstich zur Begradigung der Oslebshauser Schleife stattfand.


Der große Tag – die Eröffnung des Freihafens
Es war wohl eine der größten Bremer Mobilisierungen aller Zeiten, als im Oktober 1888 der neue Freihafen seiner Bestimmung übergeben wurde. Vielleicht haben die Bremer Zeitungen mit ihrer Schätzung etwas übertrieben, wenn sie von 40 000 Teilnehmern sprachen. Angesichts einer Einwohnerzahl um 120 000 hätte damit jeder dritte Bremer an diesem Festtag an der Völkerwanderung zum neuen Hafenbecken teilgenommen.

Oktober 1888, die feierliche Einweihung des Freihafens, heute „Europahafen“.

Die Bremer ahnten wohl, welche Bedeutung dieses neue Hafenbecken für die Bremer Stadtgeschichte bekommen sollte. 1500 Arbeiter hatten vier Jahre lang an dem über zwei Kilometer langen Becken gearbeitet. 17 Züge mit 30 Loren täglich hatten die Erdmassen bewegt, 150 000 Tonnen Zement und 7000 Tonnen Eisen waren verarbeitet, 31 000 Pfähle waren in den Grund gerammt worden, um nur einige der Superlative zu nennen. Vier Dynamos in der Energiezentrale erlaubten den Umschlag auch nach Einbruch der Dunkelheit, fünf Jahre bevor diese sensationelle Technik auch in der Stadt verfügbar war.

Aus dem Bildarchiv des Geschichtskontors, Bilder zum Bau des Freihafens

Im folgenden Jahr legten lediglich 14 Schiffe mit einem Tiefgang von vier Metern im neuen Freihafen an, dass Bremen jetzt zur Seestadt geworden war, musste sich erst herumsprechen. Nur fünf Jahre später aber florierte der Hafen, da steuerten annähernd 500 Schiffe des „europäischen Verkehrs“ die Seestadt Bremen direkt an. Bremen hatte seine überragende Stellung an der Unterweser behauptet. Nun ging es Schlag auf Schlag, schon drei Jahre später begann der Bau des Holz- und Fabrikenhafens, 1902 des „Hafen 2“, später Überseehafen genannt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg nahmen die Industriehäfen den Betrieb auf, das ökonomische Herz der Stadt war von der Schlachte in der Altstadt in den Bremer Westen gewandert. Die Kaufleute begannen, ihr Kapital in die Industrie zu investieren. Die Stadt des 20. Jahrhundert war im Entstehen. Der „Uferhafen“ und die Stadt des Bischofs lagen unendlich weit in der Vergangenheit.

Die 1907 am Holz-und Fabrikenhafen gebaute Rolandmühle

Doch die Kriege des 20. Jahrhunderts stellten die Zukunft der scheinbar so prosperierenden Stadt erneut in Frage. Der Versailler Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg traf die Bremer Schifffahrt schwer, drei Viertel der bremischen Handelsflotte musste an die Alliierten abgeliefert werden. Dieser Rückschlag wurde überwunden, 1945 aber lag der Hafen in Schutt und Asche. Als es um die Prioritäten des Wiederaufbaus ging, stand der Wiederaufbau des Hafens an erster Stelle, noch vor Beseitigung des Wohnungselends: „Erst der Hafen, dann die Stadt“ – so die berühmte Aussage Bürgermeister Kaisens.

Der Hafen bei Kriegsende, aufgenommen von einem britischen Fotografen, © Imperial War Museum

Wie es im Bremer Hafen nach Kriegsende und bis zum  Siegeszug des Containers zuging, davon können noch Zeitzeugen berichten.

 

Recherche und Text: Achim Saur
Fotos: Wenn nicht anders ausgewiesen; Geschichtskontor
Wir danken dem Überseemuseum und fact+film für das Recht zur Nutzung der Aufnahmen von den Stadtmodellen Bremen.

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