Gedenkort Lager Ulrichsschuppen

Das Kunstprojekt „Gedenkort Lager Ulrichsschuppen“ wurde von der Rolandpreisträgerin Michaela Melián 2018 entwickelt und 2024 umgesetzt. Der Preis wird seit 1989 von der Stiftung Bremer Bildhauerpreis vergeben. Der Gedenkort wurde im April 2024 an der Ecke Memeler/Revaler Straße der Öffentlichkeit übergeben.

Gedenkort Lager Ulrichsschuppen
Gedenkort Lager Ulrichschuppen. Foto: Frank Scheffka

Das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager in den ehemaligen Ulrichsschuppen am Bremer Holz- und Fabrikenhafen ist in einer Evakuierungsliste der Gestapo vom Juni 1944 aufgeführt. Diese Liste führt über 200 Lager auf, davon allein 40 im Bremer Westen. Allerdings wies sie nicht alle Lager aus, da einige nach Bombenangriffen wieder aufgegeben worden waren. Andere Unterkünfte für Zwangsarbeiter:innen, die in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiteten und dort auch untergebracht waren, fehlen ebenfalls. Die exakte Zahl der Zwangsarbeit:innen und Zwangsarbeiterunterkünfte in Bremen ist bis heute unbekannt. Schätzungen gehen von bis zu 75.000 Arbeiter:innen aus, darunter auch Kriegsgefangene und KZ Häftlinge, die in Bremer Betrieben Zwangsarbeit leisten mussten [1].

Die Ulrichsschuppen aus der Luft, undatiert. Foto: Kulturhaus Walle Brodelpott, Sammlung Bremenports

Ab 1942 wurden auch die damaligen Ulrichsschuppen 9 und 10 [2] als Lager für französische Kriegsgefangene genutzt. Diese waren zuvor auf der „Admiral Brommy“ untergebracht, einem ehemaligen amerikanischen Frachter im Holz- und Fabrikhafen. Das Schiff, das seit 1928 als Ausbildungsschiff des Norddeutschen Lloyds gedient hatte, war 1940 zum Lager für die Gefangenen umgebaut worden. Aufgrund unhaltbarer Zustände, gegen die das Rote Kreuz mehrfach intervenierte, wurden die Gefangenen nun in die Schuppen verlegt. Später wurden in einem der beiden Schuppen sowjetische Zwangsarbeiter untergebracht. Die Liste weist für den Ort 983 Gefangene aus. Beide Schuppen gehörten zu einem Ensemble von 21 Lagerschuppen, die in den Jahren 1912/13 und dann in den 20er Jahren im Bereich Revaler Straße, Memeler Straße und am Fabrikufer errichtet wurden.

Ulrichsschuppen, 1993
Die Ulrichsschuppen am Holz- und Fabrikenhafen 1993. Foto: Kulturhaus Walle Brodelpott

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Lager in Vergessenheit und wurde wieder als Schuppen genutzt. Im Jahr 1989 wurden dort nach Hinweisen eines ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiters Wandmalereien französischer Kriegsgefangener entdeckt, die vermutlich 1942/43 entstanden sind. Verschiedene Malstile weisen auf die Beteiligung mehrerer Gefangener hin. Die 13 Wandgemälde wurden geborgen und sind nun in verschiedenen Einrichtungen, darunter dem Bremer Staatsarchiv, dem Landesamt für Denkmalschutz und dem Hafenmuseum im Speicher XI, ausgestellt.

Die abgerissenen Ulrichsschuppen 2019. Foto: Kulturhaus Walle Brodelpott

2018 erwarb die Hafenbetriebsgesellschaft J. Müller AG, Brake, die Schuppen, deren Abriss im Februar 2019 erfolgte. Heute sind dort Container gelagert. Mit den Ulrichsschuppen verschwand ein weiterer wichtiger Ort, der an Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in Bremen erinnert. Im Zuge des Abrisses stellte die Firma das Eckgrundstück Memeler/Revaler Straße an originaler Stelle für einen Erinnerungsort zur Verfügung. Auf dieser Fläche entstand das Kunstwerk der Rolandpreisträgerin 2018 Michaela Melián. Die Fassade des Schuppens wurde auf dem Grundstück wiederhergestellt, allerdings nicht vertikal, sondern horizontal gekippt. Die Fassade markiert damit den verschwundenen Ort und erinnert gleichzeitig an die vielen Kriegsgefangenen und Verschleppten aus ganz Europa, die in den bremischen Häfen Zwangsarbeit leisten mussten. Um den Gedenkort herum ragen die Containertürme in den Himmel und bilden zur flach auf dem Boden liegenden Fassade einen sinnfälligen Kontrast: Container dienen heute zur Lagerung von global transportierten Waren, finden aber genauso Verwendung als temporäre Architekturmodule.

Zur Vertiefung:
Verein Walerjan Wróbel Verein Zwangsarbeit e.V (Hg.): Vergessene Opfer. Die Erinnerungsarbeit des Vereins Walerjan Wróbel, Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 40, Bremen 2007.
Bories-Sawala, Helga: Franzosen im „Reichseinsatz“: Deportation, Zwangsarbeit, Alltag. Erfahrungen und Erinnerungen von Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern, Frankfurt a.M., 2021 (1996). https://doi.org/10.26092/elib/1038

Links:
https://www.stiftungbremerbildhauerpreis.de/michaela-melian/

Fußnoten:
[1]      Vergl. Determann, Eva: Zwangsarbeit in Bremen – ein Überblick, S. 25. In: Verein Walerjan Wróbel Verein Zwangsarbeit e.V. (Hg.): Vergessene Opfer. Die Erinnerungsarbeit des Vereins Walerjan Wróbel, Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 40, Bremen 2007
[2]      StaB, 7,1066-372 Evakuierungsliste der Gestapo ca. Juni 1944. Andere Quellen nennen die Nachkriegsnummerierung: Schuppen 21 und 27.

Projekt:
Künstlerin: Michaela Melián
Stiftung Bremer Rolandpreis: Rose Pfister
Recherche und Beratung: Angela Piplak, Geschichtskontor im Kulturhaus Walle Brodelpott
Bauleitung: Rainer König, Planungsgruppe Grün

Weitere Beiträge zu diesem Thema:

Wandbilder französischer Kriegsgefangener

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Die Lebensbedingungen auf der „Admiral Brommy“

Mehl für die Zwangsarbeiter

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