Französische Kriegsgefangene, die während des Zeiten Weltkriegs im Bremer Holz- und Fabrikenhafen zu Zwangsarbeit eingesetzt waren, haben in ihrem Lagerschuppen Dokumente von einzigartiger historischer Bedeutung hinterlassen.
Dreizehn Szenen illustrieren ihren Alltag in der Kriegsgefangenschaft: beim Entladen von Holzschiffen, beim Verlassen der Schiffe zum Feierabend, an der Kaje, bei der Morgentoilette, bei der Postausgabe, beim Wäschewaschen, beim Kartoffelschälen, bei der Zigarettenpause und beim Schlafen. Die bildhaften Darstellungen, die an der Süd- und Nordwand des Lagerschuppens in 2,20 Meter Bodenhöhe angebracht wurden, stammen aus den Jahren 1942/43.
Auf einer Höhe von 2,40 m bis 4,40 m (oberhalb der Doppelstockbetten) wurde insgesamt eine Fläche von 105 Quadratmetern bemalt. Verwendet wurden dabei Leimfarben, die auf eine Kalkgrundierung aufgetragen wurden. Die Laien-Malereien sind plakativ und mit einfachen Mitteln ausgeführt worden. Als einer der Urheber ist der Gefangene David Alloi überliefert. Da die Bilder mit offizieller Erlaubnis angebracht wurden, erschließen sich Anspielungen auf Kritik an den Lebens- und Arbeitsbedingungen erst bei aufmerksamer Betrachtung in auf den ersten Blick beiläufigen Details. Als geschichtliches Dokument sind die Wandbilder im Bremer Holzhafen einzigartig, solche Darstellungen des Gefangenenalltags suchen in Deutschland ihresgleichen.
Lange Zeit waren diese Bilder in Vergessenheit geraten. Denn nach Kriegsende wurde die Halle neu getüncht und wieder zur Einlagerung von Gütern benutzt. Wiederentdeckt wurden sie erst durch den Kontakt des Bremer Pastors Hartmut Drewes mit sowjetischen Zwangsarbeitern in den 1980er Jahren, die von Wandbildern im Lager der Franzosen erzählten. Vor dem drohenden Verfall konnten die Wandmalereien schließlich 1996 gerettet werden. Seit 2001 sind vier von ihnen im Bremer Staatsarchiv Bremen ausgestellt.
Ein Bild wurde am 18. Juni 2005 von einer Bremer Bürgerdelegation als Dauerleihgabe in das Mémorial pour la paix in Caen überbracht, im Rahmen eines deutsch-französischen Projekts anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung. Federführend waren die Historikerinnen Françoise Passera auf französischer und Helga Bories-Sawala auf deutscher Seite. Wenige Tage bevor Passera zur Einweihung eines weiteren Wandbildes im Bremer Hafenmuseum Speicher XI im Beisein ehemaliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter nach Bremen reiste, entdeckte sie bei ihrem Bruder Christian Leroux in Orleans ein Bild der Admiral Brommy, das dieser auf einem Flohmarkt erstanden hatte. Als sie die Signatur „David Alloi“ und die Datierung sahen, stellten die Wissenschaftlerinnen sofort den Zusammenhang her. 2023 schenkte das Ehepaar Leroux das Aquarell der Brommy dem Focke-Museum.
Damit wird der Öffentlichkeit der Blick auf ein Stück bremischer Geschichte wieder zugänglich, welches aus dem Stadtbild so gut wie völlig verschwunden ist.
Text: Helga Bories-Sawala
Fotos: Archiv Helga Bories-Sawala
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