„Mama, die Feuerwehr darf nicht löschen!“

Plündernd und mordend war die Bremer SA in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch die Stadt gezogen. Fünf jüdische Mitbürger wurden ermordet, die Synagoge im Schnoor in Brand gesetzt. Die zweite Synagoge – in Aumund – hatten die Rollkommandos offenbar vergessen.

Was in der Zeitung stand
Als die Nordbremer am 10. November die „Bremer Nachrichten“ aufschlugen, konnten sie lesen: „In allen Stadtteilen Bremens, vor allem jedoch in der Innenstadt, wurden die Schaufenster der jüdischen Geschäfte zertrümmert.“ Auch der „Judentempel“ im Schnoor sei in Flammen aufgegangen. Zufrieden kommentierte das Blatt, dass alle Maßnahmen „äußerst diszipliniert“ verlaufen seien. Von den Toten der Nacht war keine Rede. Gerade in Bremen-Nord waren aber das Arztehepaar Martha und Dr. Adolph Goldberg in Lesum und der Platjenwerber Monteur Leopold Sinassohn von SA-Leuten ermordet worden. Für alle sichtbar waren nur die zertrümmerten Scheiben.

Nachholbedarf
Es hing auch von einzelnen SA-Führern im Bremer Norden ab, wie die bewusst vage gehaltenen Befehle von den jeweiligen Empfängern umgesetzt wurden. Die Lesumer SA wurde von ihrem Bürgermeister und SA-Führer mit Tötungsbefehlen losgeschickt, in anderen Ortsteilen wurden „nicht-arische“ Geschäfte zerstört, jüdische Bürger drangsaliert und verhaftet. Auch die Scheiben der Aumunder Synagoge wurden eingeschlagen, die Synagoge aber war im Gegensatz zu Bremen und anderen Orten nicht in Brand gesetzt worden.

Lokalprominenz jenseits der Absperrung, vor dem Eingang der Synagoge

Als ranghöchster SA-Führer gab vermutlich Ernst Röschmann [auf dem Foto als 2 markiert] , aus Bremen unter Druck gesetzt, den Befehl, nun auch die Synagoge im Bremer Norden in Brand zu setzen. Rasch sprach sich das Vorhaben in Vegesack und Aumund herum. Ein Kindergeburtstag wurde zum zukünftigen Tatort verlegt, ein Photograph und Redakteur der „Norddeutschen Landeszeitung“ wurden herbeigerufen, Lokalprominenz erschien, etliche andere Schaulustige nahmen ihre Kamera mit. So wird auch die damals zwöfjährige Waltraud Schmidt von dem Auflauf in Richtung Aumund erfasst worden sein. Für sie unbegreiflich, zuhause erzählte sie: „Mama, die Feuerwehr darf nicht löschen!“ Die war lediglich alarmiert, um ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser zu verhindern.

 

Viele Fotos, kein Beweis
Es war nicht schwer, die an der Tat Beteiligten nach 1945 auszumachen. Sie hatten sich im Bewusstsein ihrer Mission bereitwillig photographieren lassen. Nach Kriegsende standen die beiden Ranghöchsten, der SA-Sturmbannführer Röschmann und der Vegesacker Bürgermeister Hillmann [als 3 markiert], wegen des Vorwurfs gemeinschaftlicher Brandstiftung vor Gericht. Doch obwohl Täter wie Tatwerkzeuge klar dokumentiert sind, kam es zu keinem Urteil.

 

Interview: Achim Saur mit Waltraud Schmidt, 2006
Schnitt: Achim Saur
Recherche/Text: Karsten Ellebrecht [Internationale Friedensschule]
Fotos: Staatsarchiv Bremen

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