Bei den Arbeitern im Hafen waren sie nicht sonderlich beliebt, die „Hafenförster“. So titulierten sie die Zöllner, an deren Kontrollposten sie nach Feierabend jedesmal vorbei mussten. Da herrschte mitunter ein rauer Ton, wenn zum Beispiel die Körner für den heimischen Hühnerstall aus der Getreideverkehrsanlage im „Zampel“ entdeckt wurden.
Der „Zampel“ war die Vorrichtung unter Jacke oder Mantel, in der das Schmuggelgut versteckt war. Die Vorschriften waren streng, auch in der Behörde, mitunter grenzten sie auch an absurdes Theater.
Günter Reimann war etliche Jahre als Offizier zur See gefahren, als er auf dem klassischen Weg schließlich wieder an Land ging. Seine Frau wollte den Ehemann nicht mehr nur im Urlaub im Hause haben. Trockene Büroarbeit war aber nicht sein Ziel, den ganzen Tag Formulare am Schreibtisch auszu füllen und Ein- und Ausfuhrzölle zu berechnen. So ging er zum Wasserzoll und konnte jeden Tag wieder auf Schiffplanken verbringen, auch wenn es jetzt immer nur quer durch die bremischen Häfen ging. Und die ehemaligen Seeleute waren beim Zollamt gefragt, denn aus ihrer Fahrenszeit kannten sie die Schmuggeltricks an Bord aus erster Hand.
Günter Reimann hatte seine Ausbildung gerade beendet, als ihm die Aufmerksamkeit eines netten Kapitäns in den 1980er Jahren nur knapp an einer Disziplanarstrafe vorbeischrammen liess. Das ging so:
Diese exemplarische Vorführung der armen Sünderlein war als erzieherische Maßnahme gedacht. Doch in der Regel verlief der Alltag weniger spektakulär. Ein besonderes Ereignis war beispielsweise die bis an den Rand mit Alkoholika gefüllte Duschkabine eines Kapitäns. Auf dem Weg nach Skandinavien vervielfachte sich der Wert dieser Buddeln, mitunter arbeiteten die Seeleute ganze Bestelllisten aus diesen Ländern ab. Je höher der Dienstgrad, desto besser auch die Möglichkeit für große Geschäfte. Ein solcher „Aufgriff“ wurde in der Personalakte festgehalten, je mehr Aufgriffe, desto grösser die Aussicht, eine Stufe in der Beamtenhierarchie empor zu klettern. Eine Überraschung wartete auch einmal hinter einer hinhaltend verschlossenen Kabinentür. Als die Tür dann doch aufging, erschien dahinter ein transsexueller Matrose in Netzstrümpfen. Nach diesem erzwungenen coming out eines Seemanns, ein Skandal in der Männerwelt der Seefahrt, kam es dann zum einzigen Handgemenge in der Dienstzeit des Günter Reimann.
Gefährlich wurde es für die Hafenarbeiter, wenn die Zöllner den Verdacht hatten, dass es nicht nur um eine Flasche Rum ging oder hinter dem Säckchen Kaffee nicht nur um „Fegsel“ stand. Also Reste nach dem Aufplatzen eines Kaffeesackes, das durfte ein Hafenarbeiter mit durchs Tor nehmen. Beim Verdacht, hier ginge jemand mit System vor, konnten die Zöllner den Arbeiter zwingen, seinen Spind am Arbeitsplatz im Schuppen zu öffnen. Stapelte sich dort Ware, dann übernahm die Abteilung Zollfahndung. Die konnte dann eine Hausdurchsuchung vornehmen, wobei dann im Ausnahmefall auch ein ganzes Warenlager auftauchen konnte.
Das gehörte dann nicht mehr zu den lustigen Geschichten, die man sich in einer Hafenstadt so gerne erzählt. Dann verhängte die Bremer Lagerhaus, der Arbeitgeber aller Hafenarbeiter, eine Hafensperre. Das konnte dann existentielle Folgen haben.
Mitschnitt einer Veranstaltung des
Geschichtskontors auf der MS Friedrich, 2013
Erzähler: Günter Reimann (Foto rechts)
Fotos: Geschichtskontor, LIS