Vor 70 Jahren – Als der Tankerkönig nach Gröpelingen kam

„Luise Erhard wünschte der Besatzung und dem Schiff „allzeit glückhafte Fahrt“. Die Sektflasche zerplatzte schäumend am Bug, das Schiff rührte sich aber nicht von der Stelle. Der Täufling zögerte, trotz 2000kg Stapellauf-Fett und Paraffin. Ein Stopper klemmte, die Werftarbeiter versuchten Minutenlang ihn herauszuschlagen, dann war es vollbracht.“ (Quelle: Use Akschen)

Foto: Hans Brockmöller

Am 25. März 1953 setze ein spektakulärer Stapellauf Bremen wieder auf die Landkarte des internationalen Schiffbaus. Der Öltanker Olympic Cloud war der bis dahin mit Abstand größte Nachkriegsneubau und der erste für einen ausländischen Reeder: den griechischen Tankerkönig Aristoteles Onassis.

Die Belegschaft der AG Weser hatte zwei Jahre Zeit gehabt, dieses Ereignis vorzubereiten. Anfang April 1951 hatte Bürgermeister Wilhelm Kaisen ihr in einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass die deutschen Werften ab sofort wieder Handelsschiffe bauen durften. Seit Kriegsende hatten die Alliierten lediglich Reparaturarbeiten zugelassen. In Bremen und Hamburg wurden aus Freude über diese Entscheidung alle öffentlichen Gebäude beflaggt.

Weser-Kurier, 9. April 1951, Fotograf: Georg Schmidt

 

„Mit den Alten strahlten vor allem die Lehrlinge der AG Weser, als ihnen Bürgermeister Kaisen von der Zukunft ihrer Arbeitsstätte berichtete, die Hoffnung für viele ihrer stellungslosen Lehrlinge und ausgelernten Arbeitskollegen bedeutet.“ So lautete der Untertitel eines Fotos im Weser-Kurier von dieser legendären Betriebsversammlung 1951.

 

Im Zentrum des Bildes strahlt der hochaufgeschossene  Schlosserlehrling Heino Behrmann, der am Tag der Veröffentlichung 14 Jahre alt wurde. Knapp 72 Jahre später erinnert er sich.   

Die „Olympic Cloud“ wurde im August 1952 auf Kiel gelegt. Bis zum Stapellauf lag das Schiff sieben Monate auf dem Helgen. Durch Materialmangel kam es zu Verzögerungen und teilweise zum Baustillstand.  Der Stapellauf des ersten Großschiffes nach Kriegsende wurde dann zum Volksfest. Aus heutiger Sicht sind das Gewicht von gut 14 000 Tonnen und die Länge von 182 Metern zwar wenig beeindruckend. Bereits die 1975 auf der AG Werder gebaute „Shat Alarab“ war 185.000 Tonnen schwer und 370 Meter lang. Aber damals, kurz nach dem Krieg, waren die Maßstäbe noch andere. 

„Als um 10:15 die Pforten der AG Weser geöffnet wurden, hatte der Anmarsch der Massen schon lange eingesetzt. Väter mit ihren Söhnen, Schulklassen, Hausfrauen mit ihren Einkauftaschen, Mütter mit Kinderwagen – aus allen Richtungen, aus Walle, Gröpelingen und Oslebshausen kamen sie. Der Werkschutz der AG Weser hatte alle Hände voll zu tun, diesen Strom zu leiten. Um 11 Uhr standen Tausende dichtgedrängt auf dem Platz vor der Taufkanzel, saßen auf den Dächern der Hallen und Schuppen und hockten gleich Traubenbündeln auf den Kränen.“

 

So schilderte der Weser-Kurier  die Augenblicke, bevor das Turbinen-Tankschiff mit feierlichen Worten von Luise Erhard, der Frau des ebenfalls anwesenden Bundeswirtschaftsministers, zu Wasser gelassen werden sollte. 

Bis die Olympic Cloud aber tatsächlich begleitet von Hurra-Rufen in den Werfthafen glitt und der klemmende Stopper herausgeschlagen war, dauerte es noch einige bange Minuten.  

Heino Behrmann und die anderen Lehrlinge sahen sich das Spektakel aus gebührendem Abstand an, konnten die feierlichen Reden aber gut verstehen.

Auch wenn sich die Bedeutung dieses Ereignisses für Heino Behrmann und die anderen Lehrlinge damals noch nicht erschloss – international war es sogar der New York Times eine Meldung wert. 

Bei der Publizität des Ereignisses verwundert es, dass bislang kein Foto vom Besuch des Eigners Aristoteles Onassis in Gröpelingen ausfindig zu machen war. Dabei kann man dieser schillernden Figur, die später durch Beziehungen zu Maria Callas und Jacky Kennedy zum Star der Yellow Press wurde, keine Scheu vor der Öffentlichkeit nachsagen.

Die Olympic Cloud war der erste von sechs Tankern, die Onassis in Bremen bestellte. Insgesamt gab er 19 Tanker im Wert von 300 Millionen DM bei Deutschlands Großwerften in Bremen, Hamburg und Kiel in Auftrag. Das Prunkstück der Flotte, der mit einer Tragfähigkeit von 49722 t bis dahin größte Tanker der Welt, wurde vier Monate später von der Tochter des Reeders auf der HWD in Hamburg auf den Namen “ Tina Onassis“ getauft.“

Mitte der 1950er-Jahre hing mehr als die Hälfte der deutschen Schiffsproduktion von dem griechischen Großreeder ab. Er wurde zum wichtigen Faktor für das deutsche Wirtschaftswunder.

Für die Belegschaft der AG Weser und die Bevölkerung im Bremer Westen waren Stapelläufe großer Tanker da schon längst keine Sensationen mehr.

Im Arbeitsalltag auf „Use Akschen“ zeigte sich aber besonders bei Stapelläufen, was diese Werft so besonders machte und was ihre Belegschaft nach der Schließung 1983 an anderen Arbeitsstätten vermisste. Herbert Kienke, der 1957 als Schweißerlehrling zur AG Weser kam, später als Betriebsrat für den Erhalt der Werft kämpfte und bis heute den Verein „Use Akschen“ zusammenhält, erklärt das so:

 

Beitrag: Ralf Lorenzen

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