„Ausgerechnet Bananen …“

… so hieß es in einem Gassenhauer der Zwanziger Jahre. Das war die Zeit, als auch Josephine Bakers Tanz im Bananenkostüm die Besucher der Pariser und Berliner Varietés elektrisierte – und die Frucht aus Übersee auf den Karrenwagen fliegender Händler die Käufer zu erobern begann.

Jürgen Segelken lernte die Banane anders kennen …

Nach seiner Lehrzeit in einer Kaffeefirma war er auf der Suche nach einer Anstellung. Um während der Suche aber schon Geld zu verdienen, fragte er auch beim Fruchthof um einen Job nach. Dass die damalige Firma am Breitenweg einst ein Pionier beim Import und der Verbreitung der Banane war, davon wusste er damals nichts. Was er aber schmerzhaft kennenlernte, das war die Mühsal beim Transport der Bananenstauden in den Reiferaum.


Als Jürgen Segelken in den 50er Jahren diese Erfahrung mit dem Gewicht von Bananenstauden machte, hatte die „Kolonialware“ Banane eine Bremer Geschichte von rund 50 Jahren.

Um 1900 war die Banane in Europa mehr oder weniger eine seltene und teure Kuriosität. Als der Bremer Kaufmann Gustav Scipio 1902 die „Fruchthandelsgesellschaft“ gründete, geriet der erste Bananenimport von 12 Büscheln zum Flop: Jede vierte Banane landete als unverkäuflich im Abfall. Doch schon bis zum Ersten Weltkrieg stieg der Bremer Umsatz auf 60 000 Büschel, die über 27 Filialen von Großhändlern an die Kleinhändler verteilt wurden. Der 1908 mit Gleisanschluß am Breitenweg erbaute „Fruchthof“ erwies sich schon nach wenigen Jahren als zu klein, 1913 entstand ein repräsentativer Neubau. Für den inzwischen erfolgreichen Bananenhandel gründete Scipio eine neue Gesellschaft, die „Jamaika“, benannt nach dem Anbaugebiet der in Bremen ankommenden Ware.

Fruchthof am Breitenweg, links das Gebäude von 1908, rechts der Neubau von 1913

Mit dem Ersten Weltkrieg sank der Bananenimport fast auf den Nullpunkt und erst mit der Aufhebung von Importbeschränkungen Mitte der Zwanziger Jahre erlebte die Banane einen neuen Boom. Einmal wöchentlich brachte ein Bananendampfer die exotische Frucht nach Bremerhaven. Anfangs schufteten über 200 Stauer einer Tochterfirma des Norddeutschen Lloyd beim Entladen des Schiffs, dabei waren sie zwölf Stunden im Einsatz. Dann entstand eine spezielle Umschlagsanlage für Bananen, elektrisch betriebene Förderbänder mit Segeltuchtaschen lieferten die Stauden bis an die „Kühlwaggons“. Anfangs waren das aber nur mit Stroh gedeckte Waggons, die ein vorzeitiges Nachreifen verhindern sollten. Auch der gelbe Farbanstrich sollte Wärme abweisen, so taufte der Volksmund die seltsamen Züge „Kanarienvögel“. 200 Waggons mit dem seltsamen Anstrich machten sich nach Ankunft eines Bananendampfers auf die Reise.

1924 berichtete der „Hamburgische Correspondent“ über die Popularität der neuen Frucht: „Die Banane ist gegenwärtig überall in der Leute Mund. Wo eine Jazz-Band spielt, wo man moderne Tänze tanzt, da erklingt das Lied von den Bananen. Wie man einstens in Dorf und Stadt die ganze Saisons über jubelte: ‚Mutter, der Mann mit dem Koks ist da‘, so erklingt jetzt überall, wo man die Segnungen der modernen Kultur kennt, in prickelndem, messer-scharfem Rhythmus des Negertanzes: ‚Wir haben keine Bananen mehr‘.“ 1923 lautete der Originaltitel des Hits aus der Broadway Revue „Snappy“ noch „Yes. We have no bananas“, erst der Wiener Librettist Fritz Löhner Beda machte daraus den Titel „Ausgerechnet Bananen“. Auch Josephine Bakers Wahl für das Bananenkostüm ist ein Hinweis für die Popularität der neuen Frucht.

Der „Reichslandbund“ startete eine Kampagne gegen den neuen Konkurrenten auf den Marktständen, unter anderem wurde die Banane für die Übertragung von Typhus und Polio verantwortlich gemacht. Aber schon fast resigniert konstatierte 1927 ein Importgegner: „Der Deutsche bevorzugt nun einmal Auslandsware. Die Banane dominiert neben der Apfelsine bei uns fast das ganze Jahr hindurch auf den Marktständen. Jeder Straßenhändler, jeder Grünkramwaren bietet sie frisch an, während sie deutsches Obst kaum in der Herbstsaison feil halten.“ Das aber war maßlos übertrieben. Im gleichen Jahr rangierte die Banane mit einem Jahresverbrauch von 1,3 Kilo pro Kopf noch weit hinter den einheimischen Früchten. Der entsprechende Wert für den Apfel lag bei 10,4, für die Birne bei 4,2 Kilo. Nur die Apfelsine kam mit 4,1 Kilo in die Nähe der heimischen Produkte.

Erfolgreich war die Lobby der einheimischen Produzenten erst nach der auf Autarkie zielenden Devisenbewirtschaftung im Nationalsozialismus. Da schrumpfte der Bananenimport auf einen Bruchteil des bisherigen Umfangs, erneut wurde die Banane eine exotische Frucht, um erst mit dem „Wirtschaftswunder“ zum alltäglichen Konsumartikel aufzusteigen. Doch nur im westlichen Teil Deutschlands, im Osten galt sie noch lange als Inbegriff von Aufschwung und Wohlstand.

Als sich die SPD im März 1990 den Kopf darüber zerbrach, warum ihr die CDU bei den ersten freien Wahlen in der Noch-DDR so klar den Rang abgelaufen hatte, hatte der sonst nicht wortkarge Otto Schily eine stumme Antwort parat: Er hielt eine Banane vor die laufenden Kameras.

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Interview: Achim Saur, Olaf Juerss mit Jürgen Segelken, 2011
Schnitt: Achim Saur, Olaf Juerss
Text / Recherche: Achim Saur
Fotos: Bananenstaude und J. Baker: wiki commons; Bananendampfer: Geschichtskontor, de Buhr; Fruchthof: www.univeg.de/de/unternehmen/geschichte.html

Literatur: Kerstin Wilke, „Die deutsche Banane.“ Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Banane im Deutschen Reich 1900 – 1933, Hannover 2004, [zur Dissertation]

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