Über 10 Jahre stand Ursula Stütelberg, genannt „Ulli“, im Lokal ihres Vaters hinter dem Tresen. Bis ins 15. Jahrhundert lässt sich die Kneipentradition der Familie zurückverfolgen, so haben die König’s herausgefunden. Georg „Schorse“ König lernte das Kneipenleben zuerst im legendären „Fährhaus Wähmann“ kennen, später eröffnete er sein eigenes Lokal – „Zu den drei Linden“ – am Steffensweg. Im August 1944 legten es britische Bomber in Schutt und Asche. 1953 unternahm er einen zweiten Anlauf und begründete das „Café König“ an der Bremerhavenerstraße. Früh schon standen auch seine Töchter Ursula und Waltraud in dem Familienbetrieb hinter der Theke.
So manchen schönen Sommertag verbrachte „Ulli“ hinter der Theke und bediente die 13 Tische, während ihre Freunde sich am Strand vergnügten. Auf der anderen Seite stehen viele schöne Erinnerungen – an die Jukebox, den gitarrenspielenden Vater oder die Schlager vergangener Tage.
Rückblickend schätzt sie die familiäre Atmosphäre der Kneipe. In dieser Zeit lernte sie mit Menschen umzugehen. Natürlich gibt es auch die eine oder andere waschechte Kneipengeschichte zu erzählen. Geprägt sind diese Geschichten häufig vom internationalen Publikum, das im Hafenstandort Walle der 1950er Jahre eine kurzweilige und oftmals feuchtfröhliche Abwechslung fand.
Doch nicht alle Begegnungen waren erfreulich. Auch unangenehme Gäste gehörten zum Kneipen-Alltag einer jungen Frau. Glücklicherweise konnte sich ,“Ulli““ dabei der Rückendeckung ihres Vaters sicher sein. Georg König war immer gut gelaunt und beliebt, aber gleichzeitig auf Ordnung und Disziplin bedacht. Er servierte im Schlips, und wenn ein Gast das Lokal mit Hut betrat, schickte er ihn wieder vor die Tür und ließ ihn erneut eintreten. Im Umgang mit den Gästen vertraute er seinen Töchtern und stellte sich hinter ihre Entscheidungen – zum Beispiel, wenn „Ulli“ ihre Schlagfertigkeit im wahrsten Sinne des Wortes an den Mann brachte.
Während sich in den 50er Jahren die Stammkundschaft noch am Tresen drängte und die kleine Kneipe als Wohnzimmer der Nachbarschaft diente, sorgte die zunehmende Verbreitung des Fernsehens in den heimischen Wohnzimmern für eine rückläufige Entwicklung in der Kneipenszene. 1965 besaßen bereits drei von vier Familien einen Fernseher, auch im „Café König“ gingen die goldenen Zeiten allmählich zu Ende.
24 Jahre alt, eine zweijährige Tochter und kein Berufsabschluss. Die Ausgangsbedingungen nach dem Verkauf des „Café König“ waren wenig vorteilhaft – sie arbeitete als Putzfrau und Wurstverkäuferin, am Ende arbeitete sie in der Datenverarbeitung. In den 90er Jahren gründet sie den ersten Betriebsrat in ihrer Firma, einem Bremer Familienunternehmen mit über 100 Mitarbeitern. Vom Gegenwind ihres Chefs ließ sie sich dabei nicht unterkriegen: „Ich habe in meinem ganzen Leben gewusst, was ich wollte“, sagt sie. Neben der Inspiration durch ihren Vater, war es sicherlich auch die Erfahrung aus zehn Jahren Kneipenzeit, die „Ulli“ ihre Standhaftigkeit verlieh, mit der sie ihren Lebensweg bestritt.
Interview: Achim Saur, Stefan Potthoff, 2015
Schnitt und Text: Felix Wendler
Fotos: Geschichtskontor [U. Stütelberg]