Von Wippenmeistern, Karrenschiebern und „Schlachtedieben“

Rekonstruktion einer mittelalterlichen Wippe für das Be- und Entladen der Schiffe, 13. Jahrhundert

Wer arbeitete um 1600 an der Schlachte? Um die 200 Arbeiter waren an den 450 Metern der Kaje unterwegs. Karrenschieber transportierten die Güter in die Speicher der Kaufleute oder lagerten sie gleich auf der Schlachte, Kranknechte setzten den Tretkran zum Be- und Entladen der Schiffe in Bewegung, dazu kamen Sack- und Tonnenträger. Zur Arbeiteraristokratie gehörten die Küper mit ihrer weißen Schürze, als Kleinunternehmer prüften sie die Qualität der gelieferten Waren für die Kaufleute. Fuhrknechte kurvten hin und her, quälten sich mit ihren Wagen durch die engen Gassen der Altstadt und suchten Stellplätze auf der mit Waren blockierten Schlachte. Die Kran- und Wippenmeister mussten des Lesens und Schreibens mächtig sein, da sie über die Anlieferung und den Ausgang jedes Fasses und all der anderen Waren Buch zu führen hatten. Der wichtigste Mann im Alltagsbetrieb war der Hafenvogt, er überwachte die Liegeordnung der Schiffe. Sollte ein widerspenstiger Schiffer seine Anordnungen ignorieren, durfte er ihm auch die Taue kappen.

Betrieb auf der Schlachte, um 1862, Lithographie von Robert Hüser

All die Schlachtearbeiter hatten Hunger und Durst. In fast jedem zweiten Haus an der Hafenkante war ein Bierkrug oder eine Wirtschaft zu finden, die Schiffer fanden für ihre Übernachtung Herbergen. Auch an der Schlachte entstand ein frühes Hafenmilieu. Dazu gehörte eine andere für alle Häfen typische Erscheinung. Die Hafenleute arbeiteten mitten im Herzen der Altstadt und inmitten eines großen unübersichtlichen Warenlagers. Immer wieder klagten die alten Ratsordnungen über Unregelmäßigkeiten. Zwar gab es drastische Strafen, aber gegen die „nächtlichen Diebereien“ war kaum anzukommen. Da half es wenig, wenn ein Mann – auch bei einem nur kleinen Vergehen – mit einem Brett und der Aufschrift „Schlachtdieb“ durch die ganze Stadt geführt wurde. Eine Ratsverordnung von 1763 beklagte, es gebe „fast keine Ladung von Zucker, Reis und anderen Waren […], welche nicht angegriffen und bestohlen“ werde. Dagegen halfen die am Ende eingestellten vier Nachtwächter nur wenig, ebenso die dann eingeführten Tagespatrouillen oder die nächtliche Beleuchtung. Selbst drohendes Zuchthaus und Leibesstrafen konnten die „Dieberei“ nicht ausschalten.

Text: Achim Saur
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