Boomzeit im Hafen – schnelle Rückkehr des turbulenten Treibens

Der Hafen – seit Eröfnung des Freihafens 1888 war er schon bis zum 1. Weltkrieg zu einer Stadt in der Stadt gewachsen. Dann stand die riesige Hafen- und Industrielandschaft des Bremer Westens im Zentrum allierter Bomberangriffe. Kaum vorstellbar, wie sie aus der Trümmerlandschaft des Jahres 1945 wieder zu neuem Leben erwachte. Da waren von ursprünglich 42 Kränen nur noch sechs intakt, die Fläche für die Stapelware in Schuppen und Speichern war von 230 000 auf 30 000 m² geschrumpft.

Britische Truppen besetzen den zerstörten Europahafen, ©Imperial War Museum

Doch das Herz der bremischen Wirtschaft erholte sich in rasantem Tempo. Schon Mitte der 1950er Jahre hatte die Zahl der in den Waller Häfen – Europa- und Überseehafen – abgefertigten Schiffe das Vorkriegsniveau erreicht.

Eine Industrielandschaft über die alten Häfen, AG Weser, die Industriehäfen bis zu den Stahlwerken

Nur 500 Meter entfernt von der Innenstadt betrat man eine endlose maritime Landschaft, bis zu den Stahlwerken. Hier drängten sich Hafenbecken, Speicher, Lagerflächen, hafennahe Industrie und dazwischen verliefen an die 200 Kilometer Eisenbahnschienen. So konnten die Loks Waggons zu jedem Kai und Schuppen rangieren. Mit Sackkarren oder Gabelstaplern wuchteten die Arbeiter der „Bremer Lagerhausgesellschaft“ die Ladungen Kaffee, Baumwolle oder Kakao bis in die Lager, LKW‘s lieferten Maschinenteile an oder fuhren randvoll beladen mit Säcken in die Betriebe, wo der Kaffee geröstet oder die Baumwolle verarbeitet wurde.

Gedränge vor Speicher XI am Überseehafen, 1950er Jahre, ©Geschichtskontor/Bremen Ports

Nicht nur zwischen den Schuppen und Speichern brummte der Verkehr. Ende der 1950er und bis in die 1960er Jahre drängten sich die Schiffe im Europa-, Überseehafen und Holz und Fabrikenhafen. Sobald ein Frachter ablegte, stand das nächste Schiff schon in Warteposition. Die Waller Häfen erlebten einen ungeahnten Boom.

Hafenfaszination – Von Kindesbeinen an
Das Hafenleben strahlte aus bis in die Stadtteile. Denn noch gab es nicht das Tempo des Containerumschlags und die Matrosen verfügten über genügend Zeit für einen Landgang bis nach Walle hinein. So konnten die Kinder hier schon vor ihrem ersten Schultag lernen, dass begehrte Kaugummi der Matrosen aus den US hiess „chewing gum“.

Hafengäste am Kopf des Überseehafens, 1950er Jahre, ©Geschichtskontor

Nicht verwunderlich, dass sich Gerda Rogge nach Abschluss der Handelsschule Ende der 1960er Jahre bei der „Bremer Lagerhaus Gesellschaft“ bewarb. Dort war sie im Hafenhochhaus – mit Blick auf den Überseehafen – in der Verwaltung der Beschäftigten der Lagerhausgesellschaft angestellt. Nicht nur sie empfing ihre ersten Eindruck vom Hafen vor Ort, auch die Seeleute fanden ihren Nachwuchs über direkte Anschauung.

Gerhard Kiehne stammte aus einer Seefahrerfamilie, sein Vater konnte ihn sogar mit an Bord nehmen:

Es waren diese Familienausflüge und die Bilder des turbulenten Hafenlebens, die dafür sorgten, dass der Nachwuchs für den Hafen und an Bord nie versiegte. Und stets spielte auch die Faszination des Fremden eine Rolle, seien es die im Hafen umgeschlagenen exotischen Früchte oder auch Erzählungen vom Besuch an Bord auf einem chinesischen Dampfer.

Hafenarbeiter
Tausende verdienten in diesen Häfen ihr Brot. Sie versammelten Menschen unterschiedlichster Herkunft in verschiedensten Berufen. Es gab Kranführer und Karrenschieber, Stauer und Küper, Festmacher oder die Tallymänner, die Ladungskontrolleure, welche die in Empfang genommen Waren abzählten und das Löschen dirigierten. Und da Bremen ein „Eisenbahnhafen“ [Link] war, arbeiteten hier rund um die Uhr auch Heizer, Rangierer und Lokführer der Hafenbahn. Hochqualifizierte Warenprüfer wie die Küper prüften die Qualität der ankommenden Baumwolle oder des Kaffees, die Transportarbeiter wuchteten zentnerschwere Waren auf die Karren und stapelten sie anschließend  in den  Schuppen oder Speichern. Zöllner registrierten den Fluss der Waren und kontrollierten am Zollzaun, ob nicht Schmuggelgut mitgeführt wurde.

Hier sehen und hören Sie, wie der Boom der Waller Häfen ein Ende fand.

Text und Recherche: Achim Saur
Bilder: wenn nicht anders ausgewiesen, Geschichtskontor

Wir danken Michael Wolff von der Firma fact+film für das Recht zur Nutzung derVideoclips aus der Dokumentation „Die bremischen Häfen – 1000 Jahre“.

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