Hafensitten – die kleine Reise vor Schichtbeginn

Schwere Arbeit in den Schiffsluken, an der Kaje und in den Schuppen, das Wuchten von Zementsäcken oder der Umgang mit Fischmehl – der alte Hafenbetrieb brauchte vor allem Leute für einfache Arbeiten, den Umgang mit schweren Lasten. Hier galten Muskelkraft, die Regeln und der Ton „harter Männer“. Dazu gehörte es auch, trinkfest zu sein.

„Mama, da geh‘ ich nicht wieder hin!“

Vor allem für die Frauen in den Kantinen, im Hafen nur „Anbiet“ genannt, war der raue Ton eine Herausforderung. Dazu kam noch, dass hier wie auch in den Schuppen bis Anfang der 1970er Jahre Bier ausgeschenkt werden durfte. Doch für das Umgehen des Schnapsverbots gab es ja einen speziellen Cocktail, den „Schiggi-Miggi“:

„Prost, jetzt geht’s es an die Arbeit“

Stimmte also das Gerede von den „trunkenen“ Hafenarbeitern? Vielleicht ermittelt eines Tages ein findiger Forscher den Pro-Kopfverbrauch von Alkohol im Hafen. Dann müsste er heraus bekommen, wie viel Bier für wie viele Arbeiter die Händler täglich in den Hafen lieferten. Keine einfache Aufgabe, bis dahin müssen die widersprüchlichen Erinnerungen helfen.

Eindeutiger sind die Berichte darüber, welche Rolle der Alkohol im Alltag der Arbeiterkultur oder auch in der Arbeiterbewegung spielte – im „Anbiet“, wie auch der Eckkneipe am Hafenrand. Vor dem 1.Weltkrieg und dem Start der zentralen Arbeitsvermittlung durch den Hafenbetriebsverein fanden dort die „Vize“, die fest angestellten Vorarbeiter, ihre Tageslöhner für die nächste Schicht.

Männergesellschaft mit Wirtsfamilie vor der „Bierhalle“ von Ernst Koopmann, Waller Str. (7808,14260,21646)

Es waren verschiedene Gründe, die später zur Verdrängung des Alkohols aus dem Hafen führte. Als der Weg zur Arbeit zunehmend mit dem Wagen anstelle des Fahrrads zurück gelegt wurde, verschwand damit auch der Schluck nach Feierabend. Dazu kam: einfache Handarbeit wurde von verantwortungsvolleren Arbeiten abgelöst, so hatte ein Unfall mit dem Gabelstapler andere Folgen als eine umgekippte Sackkarre. Auch erforderte der Umgang mit gefährlichen Waren  wie Asbest oder Quecksilber Fachkenntnisse.

Text und Recherche: Achim Saur
Bilder: wenn nicht anders ausgewiesen, Geschichtskontor

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